Aus welchen Gründen unterrichten Familien Ihre Kinder mittels „Unschooling“?
Bericht II
Warum 232 Familien auf die natürlichen Lernbedürfnisse Ihrer Kinder vertrauen
Veröffentlicht am 26. März 2012 von Peter Gray in „Freedom to Learn“
Dies ist der zweite von insgesamt drei Berichten über eine im Herbst 2011 durchgeführte Befragung von Familien, die ihren Kindern Bildungsinhalte mittels Unschooling, einer Form des informellen Lernens, vermitteln. Im ersten Bericht, den Sie hier finden, habe ich meine Befragungsmethode beschrieben, die demographischen Hintergründe der befragten Familien skizziert, und deren Antworten zu Fragen bezüglich der Definition und der Vorteile des Unschooling in Ihren Familien zusammengefasst. [In diesem Bericht gab ich an, dass 231 Familien mit Kindern ab fünf Jahren die Befragung beantworteten. Diese Zahl muss auf 232 Familien korrigiert werden, da wir versehentlich eine Familie nicht in die anfängliche Auswertung einbezogen haben.]
Ein kurzer Abriss für diejenigen, die noch nicht mit dem Thema vertraut sind und den ersten Bericht nicht kennen: Familien, die sich selbst als Unschoolers bezeichnen, schicken Ihre Kinder nicht zur Schule und wenden auch zu Hause keine schulischen Lernmethoden an. Es gibt also keinen Lehrplan, keine spezifischen Lernaufgaben und der Lernfortschritt der Kinder wird nicht getestet. Stattdessen bekommen die Kinder den Freiraum, eigene Interessen zu verfolgen und individuell festzulegen, welche Kenntnisse sie dafür benötigen. Die Familie stellt in vielerlei Hinsicht auch das Umfeld und die Unterstützung für das Lernen des Kindes dar. Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, wie Unschoolers diese Ideen umsetzen und welche Vorteile diese Familien im Unschooling sehen, dann schauen Sie sich Bericht I an.
Im zweiten Bericht möchte ich darstellen, auf welche verschiedenen Arten die Familien, die die Befragung beantwortet haben, zum Unschooling gekommen sind. Dieser Bericht basiert auf einer qualitativen Analyse, die ich gemeinsam mit meiner Kollegin Gina Riley auf Grundlage der Antworten auf Punkt sechs der Befragung durchgeführt habe, der Folgendes umfasst:
- Bitte beschreiben Sie, wie Ihre Familie zum Konzept des von Ihnen angewandten Unschooling gekommen ist. Insbesondere: (a) Spielten bestimmte Schulerlebnisse Ihres Kindes oder Ihrer Kinder eine Rolle? Wenn ja, dann beschreiben Sie diese Erlebnisse bitte kurz. (b) Wurden Sie von einem Autor oder mehreren Autoren beeinflusst? Wenn ja, dann geben Sie bitte den Namen des Autors oder die Namen der Autoren an und beschreiben Sie, was Ihnen an deren Texten am meisten gefallen hat. (c) Haben Sie es zuerst mit Homeschooling versucht? Wenn ja, was bewog Sie dazu, von Homeschooling zu Unschooling überzugehen?
Zusammengefasst sahen unsere Ergebnisse so aus:
Bei Frage 6a gaben 101 der 232 Familien an, dass mindestens eines Ihrer Kinder vor dem Unschooling eine Schule besuchte und dass aufgrund der Schulerlebnisse des Kindes oder der Kinder die formelle Schulausbildung beendet wurde. Für 38 dieser Familien war die Starrheit des Schulsystems oder das autoritäre Umfeld der entscheidende Faktor, Ihr Kind aus der Schule zu nehmen. 32 Familien verwiesen auf die vergeudete Zeit, die Unmengen an zu bewältigendem Lehrstoff und/oder Langeweile, der Verlust der Neugier oder das Interesse beim Lernen und 32 Familien gaben als Grund an, dass Ihr Kund unglücklich und ängstlich sei, oder schikaniert werde. [Hinweis: Die hier und an anderer Stelle des Berichts genannten Zahlen sind Näherungswerte, da sie von der Auslegung der schriftlichen Antworten abhängen.]
Zur Veranschaulichung folgen einige repräsentative Zitate der Befragten zu Frage 6a (die Namen wurden bei jedem der Beispiele gestrichen):
Antworten, bei denen der Fokus auf den starren Regeln und dem autoritären Umfeld einer Schule lag:
- „Der Schuldirektor drohte damit, dass mein Sohn bestraft werden würde, weil er eine ‚Waffe‛ in die Schule gebracht hat. Die ‚Waffe‛ war eine Dose Sprühluftschlangen.“
- „Ich habe mitbekommen, wie Kinder bestraft wurden, weil sie viele Fragen gestellt haben und viel redeten, so wie eigentlich alle kleineren Kinder von Natur aus sind.“
- „Wir waren immer enttäuschter über die Art und Weise wie unseren Kindern Inhalte vermittelt wurden. Ein Beispiel: Kinder, die mathematische Sachverhalte schnell begriffen, waren trotzdem dazu gezwungen, den Lösungsweg selbst dann aufzuzeigen, wenn Sie alles im Kopf errechneten. Unsere Tochter war deshalb gelangweilt und frustriert. Sie wurde bestraft (die Pause wurde gestrichen), weil sie ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat, bekam aber sehr gute Noten auf dem Zeugnis und hatte ein sehr gutes Ergebnis bei ihrer ersten MCAS-Prüfung [Anm. d. Übersetzerin: standardisierte Prüfung zur Leistungsfeststellung].“
- „Als mein fünfjähriger Sohn im Kindergarten bleiben sollte, weil er die Buchstaben noch nicht kannte, wusste ich, dass das nicht richtig sein kann und dass alle Kinder in ihrem eigenen Rhythmus lernen.“
- „Wir waren es Leid zu sehen, wie unsere Kinder abgestempelt wurden und dass sie erschöpft nach Hause kamen und gemein wurden. Sie waren nicht mehr die netten Menschen, die wir kannten. Als wir sie aus der Schule nahmen, wurden sie wieder zu ‚Menschen‛.“
- „Als unser ältestes Kind zum ersten Mal zur Schule ging, sagte man ihr, dass sie um Erlaubnis fragen muss, wenn sie zur Toilette möchte oder etwas essen will. Sie sagte uns, dass sie das nicht will und gemeinsam mit der Schule beschlossen wir, nachdem sie einige Tage lang das Schulgelände verließ und nach Hause kam, sie nicht mehr zur Schule zu schicken.“
Antworten, bei denen der Fokus auf Langeweile, verschwendeter Zeit oder dem Verlust des Interesses am Lernen in der Schule liegt:
- „Nachdem sie eine Zeitlang eine staatliche Schule besuchten, wurde mir klar, dass es kontraproduktiv war, der Lehrplan-Idee von jemand anderem zu folgen und es ging so weit, dass sie Lernen richtiggehend hassten (das fanden wir absolut inakzeptabel).“
- „Wir konnten absolut nichts mit der staatlichen Schule mit blauem Band, einer pädagogischen Auszeichnung, anfangen, die unser Ältester besuchte. Er hatte jeden Abend eine Stunde Hausaufgaben (Leseverstehen und Mathe-Arbeitsblätter), und das als Sechsjähriger! Die Aufgaben waren zu einfach für ihn, er hasste und wollte nie so recht anfangen. Uns war die Einmischung in unser Familienleben und in unsere Entspannungszeit einfach zu viel.“
- „Ich war oft im Klassenzimmer dabei und habe mitbekommen, wie viel Zeit verschwendet wird, in der meine Kinder einfach nur ruhig dasaßen und rein gar nichts gemacht haben.“
- „Wie nahmen unseren Sohn in der fünften Klasse aus der Schule, als seine natürliche Neugier und sein Lernwille schon beinahe zerstört waren. Zu viele Stunden in der Schule und danach Hausaufgaben. Er sagte zu mir „Mama, wann gibt es Zeit für mich?“ Das brach mir das Herz.
- „Für uns waren die steigende Zahl an Hausaufgaben und Projekten ein Grund dafür, dass wir uns sogar nach Schulschluss und an Wochenenden wie Sklaven der Schule fühlten. Außerdem bemerkten wir, wie unser ältestes Kind den Spaß am Lernen verlor. Unser zweites Kind hatte keine Zeit mehr für das Hobby, was ihm am meisten am Herzen liegt und wofür es eine große Begabung hat: darstellende Kunst.“
Antworten, bei denen der Fokus auf der Unzufriedenheit des Kindes, Angst oder Schikanen liegt:
- „Die Schule war für die gesamte Familie einfach nur schlimm. Hausaufgaben. Stundenlang. Soziale Aspekte. Zu wenig körperliche Betätigung. Zu wenig Zeit mit der Familie. Disziplinprobleme … Ich musste meine Kinder förmlich zur Schule schleifen, weil sie es dort so gehasst haben.“
- „Mein ältester Sohn lernte erst spät Lesen (zumindest gemäß den Anforderungen der Schule) und diese Frustration führte dazu, dass ich mich nach anderen Optionen umsah, aber keine davon aktiv verfolgte. Einige Zeit später, als er in der dritten Klasse war, wurden die Arbeitsbelastung und sein Unwille diesbezüglich, auch wenn er gute Noten hatte, einfach zu viel. Er hatte mehr Arbeitsstunden für die Schule als sein Vater auf Arbeit. Wofür soll das gut sein?“
- „Meine älteste Tochter litt unter Prüfungsangst (im ersten Jahr als das Gesetz No Child Left Behind eingeführt wurde) [Anm. d. Übersetzerin: Gesetz für die Verbesserung von öffentlichen Schulen in den USA] und sie aß nichts zum Mittagessen, die Gerüche und Geräuschkulisse waren ihr zu viel und im Unterricht war sie abgelenkt. Meine jüngere Tochter war gelangweilt und arbeitete nicht mehr mit. Meine ältere Tochter war während ihrer gesamten Schulzeit unglücklich – ich dachte öfter, dass sich das mit der Zeit gibt, aber dem war nicht so. Dann spitzte sich die Situation zu und ich beschloss, die beiden aus der Schule zu nehmen. Dies zwar ohne konkreten Plan, aber ich war mir sicher, dass ich es definitiv besser hinbekomme als die Schule. Ich konnte sie nicht mehr an diesen Ort schicken, der sie traurig machte und der so viele Spannungen innerhalb der Familie verursachte.“
- „Unsere ältere Tochter hasste es, zur Schule zu gehen und das machte uns alle traurig. Durch falsche Vorstellungen und den fehlenden Zugang zu Homeschooling (Unschooling ist keine Option, da in Indien selbst Homeschooling nicht verbreitet ist), wussten wir nicht, dass es überhaupt in Frage kommt, bis wir keine andere Lösung mehr finden konnten.“
- „Das Lehrerkollegium ignorierte mehrmals Situationen, in denen andere Kinder meinen Sohn verbal und physisch angriffen. Nach zwei Jahren Schikane schubste er eines der Kinder, die ihn ärgerten und dann bekam er deshalb Ärger (der Angreifer wurde nicht belangt, obwohl mehrere Lehrer mitbekamen, dass er meinen Sohn angriff). Die Schule erzeugte wiederholt Situationen, die sich negativ auf meinen Sohn auswirkten und meine Wünsche diesbezüglich wurden ignoriert. Dann wurde ein Treffen angesetzt, bei dem besprochen werden sollte, was man in Bezug auf meinen Sohn tun kann (und nicht etwa ob die Schule etwas FÜR IHN tun könnte) (…) Ich ließ sie wissen, dass ein solches Treffen nicht stattfinden wird.“
- „Mein ältestes Kind verlor die Freude am Lernen recht früh. Irgendwann hörte sie sogar auf, dem Mathematikunterricht zu folgen und rutschte im Klassendurchschnitt nach unten. Der Grund war ein Mathematiklehrer, der sich über sie lustig machte und ihr das Selbstvertrauen nahm.“
- „Am Anfang der zweiten Klasse erzählte mir meine Tochter eines Abends wie eine ihrer Freundinnen verbal von einem Mitschüler bedroht wurde (‚DU BIST SO GUT WIE TOT‛), gegen eine Wand gedrückt wurde und damit eingeschüchtert wurde, dass die älteren Cousins des Mitschülers sie fertigmachen würden. Ich war entsetzt darüber, dass Achtjährigen so etwas passiert und nachdem ich mit einem der Lehrer meiner Tochter über den Vorfall sprach, wurde klar, dass solche Begebenheiten nicht als alarmierend eingestuft wurden. Ich will nicht, dass meine Kinder so abgestumpft werden, dass sie es normal finden, dass es in Ordnung ist, andere Menschen ungebührlich, lieblos und gemein zu behandeln. Ich wollte, dass meine Kinder erfahren, dass es eine Welt gibt, die freundlicher und wärmer ist, und deshalb haben wir mit Homeschooling begonnen!“
- „Als wir bei unserem Ältesten mit elf Jahren mit Homeschooling begannen, war er von seinen Schulerlebnissen emotional so mitgenommen, dass es unglaublich war zu sehen, wie seine Persönlichkeit innerhalb von einem oder zwei Monaten wieder zum Vorschein kam.“
Der Übergang von Homeschooling zu Unschooling
Bei Frage 6c gaben 110 der 232 Familien an, dass sie vor dem Wechsel zum Unschooling Homeschooling ausprobiert haben. Gründe für den Übergang waren meistens: Die Ablehnung des Lehrplans für Zuhause durch das Kind, die Unzufriedenheit der Familie mit dem durch den Lehrplan induzierten Stress und/oder die Beobachtung der Eltern, dass die Kinder viel mehr durch Eigeninitiative als durch einen festgelegten Lehrplan lernten.
Zur Veranschaulichung dieser Meinungen folgen einige repräsentative Zitate der Befragten:
- „Zuerst versuchten wir es mit Homeschooling und nutzten die Waldorf-inspirierte Oak-Meadow-Methode. Ich fand die Idee einer ‚Spiel-Schule‛ so toll, ich wurde beinahe wieder selbst zum kleinen Mädchen und liebte es, die Materialien und Bücher zu sortieren und die Unterrichtsstunden zu planen. Aber jedes Jahr begann ich nach einigen Wochen durch die Bücher zu blättern, auf der Suche nach relevanten und interessanten Themen, die uns nicht langweilten. Als es dann Tränen wegen des Mathe-Trainings gab, war ich mir sicher, dass es einen besseren Weg geben musste. Ich begann zu hinterfragen, wieso mein Sohn diese Dinge gerade jetzt lernen musste und realisierte dann, dass es gar nicht so sein muss.“
- „Wir kamen vom traditionellen Homeschooling zum Unschooling, denn mein fünfjähriger Sohn lehnte alle Arten von Reglementierung strikt ab. Er lernte doppelt so viel, wenn ich die Materialien einfach ihm überließ. Unschooling ist das einzige, was für ihn funktioniert.“
- „Für meinen Ältesten hatte ich das komplette Schulprogramm für Zuhause. Ich dachte, dass das der beste Weg sei, damit er etwas lernt. (…) Wir waren beide gestresst und hatten nie Lust auf den täglichen Unterricht. Nach und nach zog ich mich zurück und ich konnte sehen, wie er immer mehr aufblühte. Wir haben später den Lehrplan und strenge Stundenpläne verworfen und daraus wurde dann Unschooling.“
- „Am Anfang haben wir viele Übungsbücher zur Verfügung gestellt, aber die Abneigung unserer Tochter führte dazu, dass wir schließlich zu Unschooling wechselten (jede Art von Anweisung war ihr zuwider und diese Art von Beziehung wollten wir nicht).“
- „Ich wollte für meine Kinder nie eine Schule Zuhause imitieren, aber ich habe gemerkt, dass ich in der Übergangszeit, nachdem ich sie von der Schule nahm, schulähnliche Aktivitäten durchführte. (…) Irgendwann wurde mir klar, dass alle Thematiken, die meine Kinder selbst auswählten, mehr Bedeutung für sie hatten, mehr Spaß machten und besser abgespeichert wurden als Dinge, die ich ihnen auftrug.“
- „Es war furchtbar. Wir haben uns ständig gestritten und ich war auf einmal nicht mehr nur dafür zuständig, dass er seine Hausaufgaben erledigte, sondern auch für seine Ausbildung verantwortlich. Das war zu viel Druck für uns beide. Wir fühlten uns schrecklich dabei.“
- „Zu Beginn habe ich die klassische Variante des Heimunterrichts ausprobiert (mit der Methode ‚Well-Trained Mind‛) und holte so die Schule nach Hause, mit allem Drum und Dran: Schreibtisch, Arbeitsblätter, Noten usw. Nach einem Monat war das für uns nicht mehr auszuhalten.“
- „Wir versuchten den Schulunterricht nach Hause zu verlegen, aber das war ein Riesenflop – die Probleme, die mein Sohn in der öffentlichen Schule hatte, tauchten wieder auf und wurden nur räumlich verlagert. Wir haben verschiedene Lehrplanstile ausprobiert, aber nichts fühlte sich richtig an. Er und ich waren am glücklichsten, wenn er einfach selbst bestimmen konnte. In dieser Zeit las ich viel über die verschiedenen Arten des Homeschooling und immer wenn ich auf Unschooling stieß, dachte ich, dass das ganz sicher etwas für ihn wäre. Es war allerdings schwer für mich, das notwendige Vertrauen aufzubringen, deshalb versuchten wir es weiter mit Homeschooling. Als meine beiden jüngeren Kinder sich das Lesen selbst beibrachten, wurde mir schlagartig klar, dass das Konzept tatsächlich funktionieren kann.“
Andere Faktoren, die zum Unschooling beitrugen:
Einflussreiche Autoren
Bei Frage 6b gab die Mehrheit der Befragten an, dass ein bestimmter Autor oder mehrere Autoren dazu beigetragen haben, dass sie sich für Unschooling entschieden haben. Es überrascht nicht, dass John Holt einer der meistgenannten Autoren war (127 Befragte bezogen sich auf ihn). John Holt war früher selbst Lehrer, der später die erzwungene Art des Unterrichtens anprangerte und sich für selbstgesteuertes Lernen aussprach (z.B. in seinen Büchern How Children Fail und How Children Learn). Er war es auch, der den Begriff Unschooling prägte und die erste Zeitschrift zum Thema Unschooling gründete, Growing Without Schooling. Holts Werk wird von der Organisation Holt Associates unter der Leitung von Pat Farenga weitergeführt.
Am zweithäufigsten wurde der Autor John Taylor Gatto genannt (von 52 Befragten). Der ehemalige Lehrer des Jahres des Staates New York gab den Lehrberuf auf, weil er der Überzeugung war, dass Pflichtunterricht, egal mit welcher Lehrweise, mehr Schaden als Nutzen bringt. Gatto verfasste unter anderem Dumbing Us Down: The Hidden Curriculum of Compulsory Schooling, A Different Kind of Teacher: Solving the Crisis of American Schooling sowie Weapons of Mass Instruction: A Schoolteacher’s Journey Through the Dark World of Compulsory Schooling.
An dritter Stelle war Sandra Dodd (sie wurde von 39 Befragten genannt). Die Autorin betreibt eine quicklebendige Website, bei der sich alles um Unschooling und Erziehung dreht, sie hat The Big Book of Unschooling verfasst und setzt sich für eine besondere Form des Unschooling ein, das sogenannte radikale Unschooling. Einige der Befragten, die Dodd erwähnten, waren voll und ganz von ihren Ideen und ihrem Einfluss überzeugt. Andere Autoren, die recht häufig genannt wurden, waren: Alfi Kohn, Grace Llewellen, Mary Griffith, Dayna Martin, Naomi Aldort, Ivan Illich, Jeanne Leidloff, Raymond und Dorothy Moore, Jan Hunt, Pat Farenga, Joyce Fetteroll, Rue Kream und Susan Wise Bauer.
Abgesehen von speziellen Autoren, die zur Entschlussfindung beitrugen, wurden auch Websites, Konferenzen und Vorlesungen zum Thema Unschooling genannt. Viele der Befragten erwähnten außerdem Freunde und Bekannte, die bereits erfolgreich Unschooling praktizieren.
Die Entscheidung für Unschooling ohne einen vorherigen formalen Schulbesuch
86 der Familien, die auf die Befragung antworteten, gaben an, dass sie sich von Anfang an für Unschooling entschieden haben, ohne einen vorherigen formalen Schulbesuch oder Heimunterricht. Einige meinten, dass sie diese Entscheidung bereits getroffen hätten, bevor sie Kinder hatten, auf Grundlage ihrer Lebensphilosophie. Mindestens ein Drittel der 86 Familien gab an, dass die eigenen Erziehungserlebnisse bei ihren kleinen Kindern vor dem Schulalter eine Rolle spielten. Einige Familien praktizierten das bindungsorientierte „attachment parenting“ oder „natural parenting“ und die Entscheidung zum Unschooling war eine logische Schlussfolgerung daraus. Eine Mutter schrieb:
- „Mein erstes Kind war nach der Definition von Dr. William Sears sehr nähebedürftig und wollte immer in meinen Armen sein. Ich lernte von Anfang an, ihre Signale zu deuten und anfangs war es wirklich schwierig, mein altes Leben aufzugeben. Ich habe mich über „attachment parenting“ informiert und habe diese geniale Idee in mein Leben integriert. Die Hausgeburten meines zweiten und dritten Kindes haben mir so viel Kraft gegeben, dass ich mich auch um die Bildung meiner Kinder kümmern konnte, oder besser gesagt: wir haben das gemeinsam getan, indem die Kleinen den Weg vorgaben und ich sie unterstütze.“
Knapp ein Drittel der 232 Befragten gaben an, dass ihre eigenen negativen Schulerlebnisse ihre Entscheidung für das Unschooling beeinflusst haben und viele dieser Familien begannen direkt, ohne vorherigen Schulbesuch. Jemand aus dieser Gruppe schrieb:
- „Meine eigenen Schulerlebnisse haben wahrscheinlich eine Rolle gespielt. Ich habe während des Studiums gemerkt, dass meine Schulausbildung vorm Studium sinnlos und reine Zeitverschwendung war. (…) Diese zwölf Schuljahre waren die furchtbarsten meines ganzen Lebens.“
Einige der Eltern, die sich für Unschooling entschieden haben, waren früher Lehrer oder Beratungslehrer und deren Entscheidung wurde von diesen Erfahrungen geprägt. Es folgen zwei Auszüge aus den Antworten von zwei Eltern in dieser Gruppe:
- „Mein Mann unterrichtete in einer kleinen High School in ___, als unser Ältester ins Schulalter kam. Ich glaube, dass ihm die Erfahrung im Umgang mit Kindern, die nicht ins System passen, die Augen geöffnet hat. Es war furchtbar für ihn zu sehen, dass so viele Schülerinnen und Schüler in dieser Altersgruppe jeden Lerneifer verloren hatten. Die Kinder hatten entweder gelernt, den Anforderungen zu genügen, oder sie hatten komplett aufgegeben. Ein echtes Interesse am Lernen war kaum noch vorhanden.“
- „Ich habe an einer öffentlichen Schule unterrichtet. Ich habe es geliebt zu unterrichten, zumindest größtenteils, und ich war gerne mit den Kindern zusammen. Aber ich merkte auch, welche schwerwiegenden Fehler es im System gibt und als meine Kinder ins schulfähige Alter kamen wusste ich, dass ich ihnen diese Erfahrungen ersparen wollte.“
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Befragten auf viele verschiedene Arten zum Unschooling kamen. Am häufigsten erwuchs die Entscheidung zum Unschooling anscheinend aus einer Kombination aus den folgenden Aspekten: (a) eine Lebensphilosophie, die den Wert der Freiheit und den Respekt für individuelle Unterschiede unterstreicht; (b) Beobachtungen des Lernverhaltens der Kinder und deren emotionale Erlebnisse beim formellen sowie informellem Lernen; (c) eigene, negative Schulerlebnisse und (d) Wissen basierend auf Büchern, Vorträgen, Websites und den Erfahrungen von anderen Familien, die Homeschooling praktizieren. Als nächstes folgt der dritte Bericht über die Antworten der Befragung. Darin werde ich genauer auf die Schwierigkeiten eingehen, die für die 232 Familien aus dem Unschooling erwachsen.
Wie denken Sie, nachdem Sie die beiden ersten Berichte gelesen haben, über das Konzept des Unschooling? Ist dies etwas, das Sie sich für Ihre eigenen Kinder vorstellen könnten? Warum oder warum nicht? Wenn Sie eine Befragung für Familien, die sich für Unschooling entschieden haben, durchführen würden, was wären Ihre Fragen? Dieser Blog ist ein Diskussionsforum und Ihre Ansichten und Kenntnisse werden geschätzt und ernst genommen, von mir und auch von den anderen Lesern.
Wie immer würde ich es bevorzugen, wenn Sie Kommentare und Fragen hier stellen, anstatt eine E-Mail zu senden. Hier können Sie Ihre Anmerkungen mit allen Lesern und nicht nur mit mir teilen. Ich lese alle Kommentare und versuche immer, auf ernst gemeinte Fragen zu antworten. Wenn Sie mir etwas Privates mitteilen möchten, können Sie dies natürlich per E-Mail tun.
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Weitere Artikel zum Thema: Vorteile von „Homeschooling“ – Bericht I
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Dr. Peter Gray ist Forschungsprofessor am Boston College und Autor des kürzlich veröffentlichten Buches “Free to Learn“ (Basic Books) und „Psychologie“ (ein Lehrbuch, heute in seiner sechsten Auflage).
Andere Artikel von Peter Gray in Englisch:
www.psychologytoday.com/blog/freedom-learn
Buch in Englisch “Free to Learn”:
www.freetolearnbook.com
Originalartikel in Englisch: https://www.psychologytoday.com/blog/freedom-learn/201203/what-leads-families-unschool-their-children-report-ii
Dieser Artikel wurde von Christina Münzner aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt.
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